Charis Haska hat einen Bericht des Diakons Igor Игорь Шемигон übersetzt von der derzeitigen Situation der lutherischen Katharinengemeinde in Kiew:
„Im Leben unserer Gemeinde der letzten Monate sehe ich gute Beispiele von Ökumene.
Wir haben ein Lazarett und damit ständig um uns herum Orthodoxe, Katholiken und Griechisch Katholische. Die Griechisch – Katholischen Christen sind aufgeschlossener – sie nehmen an den Gottesdiensten teil, wir beten zusammen, na, und ihre soziale Tätigkeit ist nicht zu übertreffen. Einer der Ärzte, Alexander, hat während der Auseinandersetzungen im Zentrum Leben gerettet, aber außerdem ist er ein griechisch- katholischer Laie, er kennt und liebt seine Kirche. Ich gebe zu, dass ich ihm hin und wieder in theologischen Debatten nichts zu antworten wusste. Und in den letzten Tagen arbeiten ihre Ordensschwestern bei uns wie die fleißigen Bienen.
Mit den Orthodoxen ist es ein wenig komplizierter, doch auch da finden wir gemeinsamen Gesprächsstoff. Ich bin oft erstaunt von ihren Zeugnissen. In der Nachfolge Christi haben wir vieles gemeinsam. Dem gemeinsamen Gebet gegenüber zeigen sie Zurückhaltung, und wir bedrängen sie nicht damit. Vor einem Monat wurde bei uns ein kleiner, bärtiger Opa eingeliefert, der von gutherzigen Gemeindegliedern sofort der Kleine Valera getauft wurde (unser Küster Valera ist auch bärtig und langhaarig). Der Kleine Valera erwies sich als Mönch Siluanom der Ukrainisch Orthodoxen Kirche Kiewer Patriarchats. Inzwischen ist er ziemlich gesund, doch er kommt noch öfters vom Maidan zu Besuch, um sich mit uns zu unterhalten und zu helfen. Außerdem haben wir Verwundete orthodoxen Glaubens aus der Hundertschaft der Selbstverteidigung. Den Einen hat die Berkut zum Invaliden gemacht, indem sie sein Kniegelenk zerstört haben, er wartet auf eine OP. Ich sehe ihn im Gotteshaus, er sitzt und liest die Heilige Schrift.
Der Kirche gegenüber gibt es einen kleinen Lebensmittelladen im Kellergeschoss. In der bedrängtesten Zeit, als der Gürtel der Truppen des Innenministeriums hier stand, hat er nicht zugemacht. Die junge Verkäuferin erzählt, dass die einzigen Kunden des Ladens Berkutkräfte und Soldaten waren. Na, da hat sie die Hälfte der Vorräte dann auf den Maidan geschafft. Jetzt nennen wir das Mädel Robin Hood. Und die Verkäuferinnen bringen uns zur Zeit leckeres Mittagessen für die Verwundeten. Zum Maslenizafest (Anm. Charis: Das ist das osteuropäische Pendant zu unserem Fasching. Die Bräuche sind ein wenig anders. Statt unserer Krapfen gibt’s da Eierkuchen mit Butter und Honig, und danach beginnt die Fastenzeit) haben sie sie mit einem ganzen Karton der allerleckersten Eierkuchen überrascht.
Der Krieg wird früher oder später aufhören, aber die gute Erfahrung von Zusammenarbeit wird uns bleiben. Wahrhaftig: Gemeinsamer Schmerz bringt uns einander näher! Von Neuem lerne ich, mich mit den Fröhlichen zu freuen und mit den Traurigen zu weinen. Anbei ein paar Fotos zum Thema. Entschuldigt bitte die schlechte Qualität, sie sind vom Mobiltelefon.“
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