Rene Krüger, Theologieprofessor aus Buenos Aires in Argentinien schreibt uns von seinen Einschätzungen der Lage Argentiniens nach der Wiederwahl von Cristina de Kirchner als Präsidentin: 

„Dem Land – aufs Gesamte gesehen – geht es besser als vor einem Jahrzehnt. Die Wirtschaft hat in den vergangenen Jahren ein stetiges Wachstum verzeichnet. Viele Bereiche wurden von beiden Kirchner-Regierungen (Néstor Kirchner und dann Cristina de Kirchner) effektiv angegangen und nicht nur wirtschaftlich, sondern auch politisch geregelt. Hervorzuheben sind das Gesundheitswesen und die Altersversorgung. Monatliche Beihilfen für die ärmere Bevölkerung haben dazu beigetragen, dass Hunger und Krankheiten erheblich zurückgegangen sind.… 

Probleme sehe ich in folgenden Bereichen: 

1. Die regulären Beihilfen für die ärmere Schicht sind eine gefährliche Kombination von notwendiger Unterstützung (ein so reiches Land kann seine Bevölkerung nicht verhungern lassen) und klientelistischer Abhängigkeit, die obendrein keine Arbeitsmoral aufkommen lässt. Die Zuwendungen sind nur in seltenen Fällen mit Gegenleistungen verbunden. Wenn diese Hilfen nicht mit der Schaffung von Arbeitsplätzen und effektiven Gegenleistungen verbunden werden, geht die Sache auf die Dauer schief. 

2. Die staatlichen Einnahmen, die die Sozialpolitik ermöglichen, kommen u.a . zu einem beträchtlichen Teil aus der Besteuerung des Sojaexportes. Nun ist das auf die Dauer ein zweischneidiges Schwert. 

In Argentinien bestand jahrzehntelang eine praktische Ernährungssouveränität, ebenso in Paraguay und Uruguay. Zum Verlust der Ernährungssouveränität kam es durch die rapide um sich greifende Umstellung großer Sektoren der Landwirtschaft auf Biodiesel und Alkohol als Kraftstoffe (in Brasilien vor allem aus Zuckerrohr) und ganz stark durch die Sojarisierung, die im gesamten Südkegel Lateinamerikas (Brasilien, Argentinien, Paraguay und Bolivien) die Wälder abholzt und Weideflächen, Weizenland und Kleinbauernbetriebe in Sojaflächen verwandelt. Nun ist Soja nur rentabel bei großflächigem Anbau, was viele Kleinbauern ihre Parzellen verlieren lässt, weil sie einfach nicht mehr genügend abwerfen. Damit wachsen die Großbetriebe, die Latifundien und die Monokultur, aber auch die ökologischen Probleme des Sojaanbaus. Das Herbizid Glyphosat, massiv für die Unkrautbekämpfung beim Sojaanbau eingesetzt, ist trotz offiziellen gegenteiligen Behauptungen sehr schädlich für die Gesundheit von Menschen und Tieren, wie einschlägige Studien belegen und wie es immer stärker betont wird. 

Vonseiten der Regierungen wird auf den Anschluss an den Weltmarkt und das damit verbundene Wirtschaftswachstum und auf die hohen Einnahmen durch die Besteuerung der landwirtschaftlichen Exporte gesetzt, und da bietet sich natürlich Soja als das beste Geschäft an. 

In Argentinien und Paraguay ist mit der Sojarisierung auch das Übergehen der Landrechte der indigenen Bevölkerung verbunden. Seit Jahrzehnten kämpfen die Indigenen im ganzen Kontinent um die Wiedererlangung ihrer Landrechte und überhaupt um ihre Menschenrechte. 

Kurzum: Soja ist massig Geld für heute und Not für morgen und übermorgen; und für die Kleinen auch schon heute. 

3. Schlimm ist die Korruption, und obwohl auch an dieser Front staatlicherseits gekämpft wird, hat man doch oft den Eindruck, dass es manchen nicht so richtig Ernst um die Sache ist. Die Korruption reicht bis in die obersten Etagen der Politik und der Regierung… 

4. Schlimm ist die Drogenmafia und überhaupt die organisierte Kriminalität. Da sehe ich für ganz Lateinamerika schwarz, denn anscheinend fehlt politischer Wille, mit diesem Abschaum wirklich aufzuräumen. Aber das wird ja wohl weltweit so sein. Das Geld, dass durch diese Verbrechen in Umlauf gesetzt wird, „gehört“ heute schon zur Wirtschaft.