Walter Sass ist ein Missionar. Tief im brasilianischen Amazonaswald arbeitet er mit den Deni-Indianern, seit zehn Jahren schon. Aber immer noch steht im Dorf Morada Nova keine lutherische Kirche. In anderen Denidörfern ebenfalls nicht. Ist er ein schlechter Missionar?
Als Walter zum ersten Mal bei den Deni eintraf, wurde er begrüßt mit den Worten: „Wir sind schon drei Mal getauft. Wenn du möchtest, kannst du uns auch zum vierten Mal taufen.“
Aber so wollte Walter es von vorneherein nicht haben. Seine Vorbilder waren die Arbeiterpriester in Frankreich und Charles de Foucauld bei den Tuareg – Menschen, die mehr mit ihrem Leben überzeugten als mit schönen Worten.
Walter lebte mit in Denidörfern, unterrichtete Portugiesisch und Mathematik, Lesen und Schreiben. Das war für die Deni wichtig, weil sie die Erfahrung gemacht hatten, dass die „Weißen“ sie sonst übers Ohr hauen. Mit Walter zusammen haben die Deni eine eigene Fibel und ein Mathematikbuch zusammengestellt – für ein Volk von 1000 Menschen! Inzwischen sind aus den Reihen der Deni selbst Lehrer hervorgegangen und werden vom Staat bezahlt.
Vor vier Jahren ging die Vermessung des Deni-Gebiets zwischen den Flüssen Xeruã und Cuniã zu Ende. Nur sie haben nun das Recht, in diesem Teil des Amazonaswaldes auf ihre angestammte Art Fisch zu fangen, Felder anzulegen oder Bäume zu fällen. Sie sind Hüter des Urwalds und zugleich brasilianische Staatsbürger. Im Oktober hatten sie sogar einen eigenen Kandidaten für die Bürgermeisterwahlen ihrer Kommune aufgestellt. Sie tragen T-Shirts, sehen fern, benutzen neben Kanus auch Motorboote – und sind trotzdem unverkennbar Deni geblieben. Ob all das so gut gelaufen wäre, wenn sie nicht einen Missionar bei sich gehabt hätten, der sie ermutigte, sich für sie einsetzte, wusste, wo Unterstützer zu finden sind?
Manchmal scheint es sogar, Walter ist nicht ein Missionar unter den Deni sondern ein Missionar für die Sache der Deni. Er nimmt gern Menschen in die Denidörfer mit, so wie uns vom GAW. Und kaum einer kehrt zurück, ohne zutiefst beeindruckt zu sein. So wie Eraldo, unser Bootsfahrer, der mit seinen 25 Jahren noch nie in einem Indianerdorf gewesen war, obwohl seine Heimatstadt von Indianergebieten umgeben ist. Stolz zeigte er am letzten Tag unseres Besuches einen Zettel, auf dem er ein kleines Wörterbuch Deni – Portugiesisch angelegt hatte. Oder wie Jefinho, ein Abiturient, der am liebsten jedes Mal mitgehen würde, wenn Walter zu den Deni fährt. Er hat bei den letzten Kommunalwahlen mit dem Komponieren von Werbeliedern für Kandidaten Geld verdient. Für die Deni schrieb er zwei Lieder und spielte sie ein – ohne einen einzigen Real dafür zu verlangen.
Solche Menschen werden ebenfalls Missionare in der Sache der Deni und helfen, in ihren Städten und Dörfern hartnäckig bestehende Vorurteile gegenüber den Indianern abzubauen.
Als Walter im Oktober mit uns zu den Deni fuhr, hatte er unter anderem eine Handvoll Bibeln im Gepäck. Einige Deni hatten ihn darum gebeten. Sie wollten wissen, was in dem Buch steht, das dem Kushuvi – Deni-Name für Walter – so viel bedeutet. Lesen können sie ja jetzt.
Es muss nicht gleich eine Kirche sein.
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