Protestantische Kirche in La Rochelle (Foto: GAW)

„Wir wollen Zeugen des Evangeliums sein. Wir sind eine kleine Kirche, aber eine bekennende Kirche und wollen missionarisch in die französische Gesellschaft hineinwirken,“ sagte Pastor Dr. Ulrich Rüsen Weinhold von der Vereinigten Protestantischen Kirche in Frankreich (Église Protestante Unie de France – EPUdF). Ulrich Rüsen Weinhold ist Ökumenepastor der Kirche und für die Auslandskontakte zuständig.

Allerdings: Eine missionarische Kirche zu sein ist in Frankreich eine Herausforderung in einem Land, in der sehr viel Wert auf die Laïcité gelegt wird. 

Die Laizität (Laïcité) in Frankreich ist das Prinzip der strikten Trennung von Staat und Religion. Es bedeutet, dass der Staat weltanschaulich neutral ist und sich nicht in religiöse Angelegenheiten einmischt, während gleichzeitig religiöse Institutionen keinen Einfluss auf staatliche Entscheidungen haben. Die Laizität ist tief in der französischen Geschichte verwurzelt und geht auf die Aufklärung sowie die Französische Revolution (1789) zurück. Sie wurde vor allem durch das Gesetz von 1905 zur Trennung von Kirche und Staat (Loi de 1905) festgelegt, das Folgendes besagt: Freiheit der Religionsausübung – Jeder darf seine Religion frei ausüben / Trennung von Kirche und Staat – Der Staat darf keine Religion bevorzugen oder finanzieren / Neutralität des Staates – Staatliche Institutionen (Schulen, Behörden etc.) müssen neutral bleiben. So darf kein Religionsunterricht an öffentlichen Schulen gegeben werden. Religiöser Symbole sind in staatlichen Einrichtungen, insbesondere in Schulen (seit 2004, Kopftuchverbot für Schülerinnen) verboten. Es gibt keine Staatsfinanzierung für religiöse Einrichtungen, außer für den Erhalt historischer Kirchengebäude. Man kann grundsätzlich sagen, dass die Laizität für Frankreich ein zentrales Prinzip der Republik ist. Sie bleibt aber ein kontroverses Thema. Das zeigt sich bei Fragen der Integration des Islam aber auch freikirchlicher Bewegungen aus der afrikanischen Migration, die nicht mit dieser franzöischen Tradition aufgewachsen sind.

Mitten in diesem Kontext bewegt sich die EPUdF mit ihre 406 Kirchengemeinden und ihren 330 Gemeindepfarrer:innen. Dazu kommen weitere 50 Pfarrer:innen in besonderen Pfarrstellen. „Allerdings können wir nicht sagen, wie viele Gemeindemitglieder wir haben,“ sagt Ulrich Rüsen Weinhold. „Das hängt damit zusammen, dass die Gemeindemitglieder sich aktiv zu ihrer Gemeinde bekennen müssen, sich dort einbringen und Beiträge zahlen. Die Gemeindearbeit ist insofern eine ganz wichtige Beziehungsarbeit. Ohne direkte Kontakte verlieren wir unsere Mitglieder, denn auch bei uns sind säkulare Tendenzen spürbar.“ Und Dr. Rüsen Weinhold ergänzt, dass aktuell die EPUdF um ca. 1 % jährlich schrumpft.

2013 haben sich die lutherische und reformierte Kirche zur EPUdF vereinigt. Die Mehrheit ist reformiert geprägt. Die lutherische Tradition ist verbunden mit den Botschaftsgemeinden aus den nordischen Ländern in Paris und einem Gebiet in Frankreich, das einmal zu Württemberg gehörte.

Die Geschichte der Protestanten in Frankreich ist von Spannungen geprägt:

Die Reformation erreichte Frankreich im frühen 16. Jahrhundert, beeinflusst von Martin Luther und vor allem Johannes Calvin. Die französischen Protestanten, bekannt als „Hugenotten“, verbreiteten ihre Lehren trotz Widerständen der katholischen Kirche. 

Die Spannungen zwischen Katholiken und Protestanten führten zu den blutigen „Hugenottenkriegen“ (1562–1598). Der Höhepunkt war die „Bartholomäusnacht“ (24. August 1572), in der tausende Hugenotten in Paris und anderen Städten von katholischen Truppen ermordet wurden.  Das hat sich tief ins Bewußtsein der Protestanten eingeprägt.

 Heinrich IV. gewährte den Hugenotten mit dem „Edikt von Nantes“ religiöse Freiheit und gewisse politische Rechte. Dies beendete die Kriege und brachte eine Zeit relativer Stabilität. 

Ludwig XIV. hob das Edikt mit dem „Edikt von Fontainebleau“ (1685) auf, was zur massiven Verfolgung der Protestanten führte. Viele flohen nach Deutschland, in die Niederlande oder in die Schweiz. 

Erst 1787 gewährte das „Edikt von Versailles“ den Protestanten begrenzte Rechte, und mit der Französischen Revolution (1789) wurde die Religionsfreiheit offiziell eingeführt. Die Laizität von 1905 trennte endgültig Kirche und Staat. 

„Diese ganze Geschichte gehört zu unserer Identität,“ sagt Ulrich Rüsen Weinhold. „Aber genau damit wollen wir uns nicht abgrenzen, sondern uns zum Wohle der Gesellschaft einbringen.“