Mathilde Sabbagh ist Pfarrerin in der evangelischen Gemeinde in Hassakeh im äußersten Nordosten Syriens, dem kurdischen Autonomiegebiet. Die junge Frau ist erste und einzige Pfarrerin in Syrien. Sie berichtet von der aktuellen Lage:
„Die evangelische Schule in Hassakeh ist seit 10 Tagen geschlossen, so wie auch die anderen kirchlichen Schulen in der Stadt. Wir sind nicht sicher, ob wir unter diesen Umständen die Halbjahresprüfungen im Januar abhalten können. Vorigen Sonntag, am 2. Advent haben es nur 7 Menschen in den Gottesdienst geschafft. Das war der Tag, an dem die Rebellen die Macht über Damaskus übernommen hatten. Heute am 3. Advent waren es immerhin 30 Menschen im Gottesdienst. Normalerweise sind es zwischen 40 und 50, zu besonderen Anlässen auch mal 120.
Die aktuelle Situation im Nordosten Syriens ist sehr verwirrend und kompliziert. Die kurdischen Milizen haben neben ihrer eigenen Flagge die grüne Flagge gehisst, die sogenannte Revolutionsflagge, als ein Zeichen gegen die islamistischen Milizen. Inzwischen sind alle Institutionen unter kurdischer Herrschaft, auch die, die vorher unter der Kontrolle der Regierung standen.
Wir wissen nicht, wie es weitergehen wird. In der letzten Woche waren wir die meiste Zeit zu Hause und sind nur für dringende Einkäufe kurz rausgegangen. Die meisten Läden sind sowieso von den kurdischen Milizen geschlossen worden. Sie haben Angst vor einem bewaffneten Aufstand der arabischen jungen Männer zur Unterstützung der neuen Machthaber in Damaskus. Es ist ungewiss, in welche Richtung sich die Region entwickeln wird.
Der Währungskurs des Syrischen Pfunds macht gerade große Sprünge. Normalerweise liegt der Kurs ungefähr bei 5.500 Pfund = 1 USD. Letzte Woche stieg der Kurs kurzzeitig auf 30.000 Pfund und liegt heute wieder bei 7.000 Pfund.
Wir Christen haben große Angst. Die neuen Machthaber vertreten einen politischen Islam. Wir wissen nicht, wann und wie stark diese Ideologie sich gegen uns Christen richten wird. Die Beispiele, die wir kennen, machen uns aber keine große Hoffnung. Das gefallene Assad-Regimes hat uns in ein Becken voller Blut geworfen, in einen Bürgerkrieg, der die Islamisten gestärkt hat. Die Menschen sind wütend auf Assad. Er hat das Land auch ökonomisch ausgeraubt.
Wir glauben, dass das Land nie wieder eins sein. Vertreter der drusischen Minderheit aus dem Süden Syriens haben sich heute mit Vertretern der israelischen Regierung getroffen. Möglicherweise wird der Süden des Landes an Israel gehen und Syrien wird in einen alawitischen, sunnitischen, kurdischen und drusischen Teil geteilt werden.
Wir wissen gerade gar nichts mehr, alles ist unsicher. Bitte betet für uns Christen. Niemand von uns hat jemanden umgebracht oder Schlechtes über dieses Land gebracht. Die Menschen haben es nicht verdient in so einer Verwirrung, Unsicherheit und Angst leben zu müssen. Wir Christen rechnen mit dem Schlimmsten. Ich denke, dass die meisten von ihnen das Land verlassen werden.“
Spendenkonto: IBAN: DE42 3506 0190 0000 4499 11, BIC: GENODED1DKD (KD-Bank)
Kennwort: Nothilfe
Kommentare