Im Gespräch mit Synodalpfarrer Carlos Bock |
„Wenn ihr ein Auto mit einer brasilianischen Flagge geschmückt seht, dann wisst ihr, dass darin Bolsaonaro-Anhänger sitzen“, sagt Pastor Harald Malschitzky, Generalsekretär der Obra Gustavo Adolfo (OGA). „Ich liebe unsere Flagge, aber ich traue mich nicht mehr sie zu nutzen, weil ich nicht mit Bolsonaro in Verbindung gebracht werden will.“
Brasilien befindet sich derzeit im Wahlkampf. Am 30. Oktober findet die Stichwahl zwischen Bolsonaro und Lula statt. Das Land ist polarisiert wie selten zuvor. Wird es der amtierende und extrem polarisierende Präsident Bolsonaro erneut schaffen? Oder schafft es Lula, der schon einmal Präsident war?
„In einer meiner Gemeinden hat mir jemand gesagt, dass Bolsonaro von Gott gesandt sei. Lula dagegen sei der Teufel,“ berichtet der Pfarrer Carlos Bock von der Synode Rio dos Sinos. „Das zeigt die gegeneinander stehenden extremen Kräfte.“ Eine Synode ist in der IECLB so etwas wie ein Kirchenkreis. Zu Carlos` Synode gehören 35.000 Mitglieder in 69 Gemeinden. „Ich habe derzeit sehr viel mit Streitigkeiten in meinen Gemeinden zu tun und muss versuchen, zu vermitteln, zu schlichten, zu versöhnen. Einige dieser Streitigkeiten haben mit der polarisierten politischen Situation zu tun. Die Stimmung ist aufgeheizt. Das kostet viel Kraft.“
Er berichtet von Konflikten zwischen Pfarrern und ihren Gemeinden. In Predigten trauen sich viele Pfarrer nicht mehr, wichtige sozialkritische Themen anzusprechen. Sie würden sofort mit Lula in Verbindung gebracht werden und dann wären sie in den Gemeinden Anfeindungen ausgesetzt. „In meiner Synode werden 80% der Gemeindemitglieder für Bolsonaro stimmen“, schätzt Bock. Er fährt fort, dass gerade Frauen aus der Mittel- und Oberschicht für Bolsonaro seien. Dessen Schlagworte „Für Gott, Familie, Vaterland“ würden sie überzeugen. Ob der amtierende Präsident frauenverachtende Kommentare macht oder Frauenrechte einschränkt, interessiere sie nicht.
Viel Konfliktstoff ist in dem Land zu spüren. Viele in der Kirche in leitenden Funktionen sind frustriert, dass sie mit Argumenten, Differenzierungen und Dialog nicht weiterkommen. „Dabei lädt doch gerade der evangelische Glaube dazu ein“, so ein Pfarrer der Kirche. Sorgen machen sich die Verantwortlichen, dass gerade jetzt kurz vor dem zweiten Wahlgang das Konzil – d.h. die Synode der Gesamtkirche der IECLB – der Kirche stattfindet. Das sei ein ungünstiger Termin und könnte die innerkirchliche Atmosphäre beeinträchtigen.
Zu wünschen ist es der IECLB, dass sie mit allen Richtungen innerhalb der Kirche in Verbindung bleibt, dass die Kirche zusammenbleibt, dass sie versöhnend wirken und predigen kann. Und dass sie bei allen Polarisierungen der einen Wahrheit – Jesus Christus – verbunden bleibt. Enno Haaks und Dr. Martin Dutzmann vom GAW werden dem Konzil als partnerschaftliche Beobachter beiwohnen.
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