Studierende in Montpellier |
Quentin Milan-Laguerre ist ehemaliger GAW-Stipendiat und will Pfarrer der Vereinigten Protestantischen Kirche Frankreichs werden. Derzeit studiert er noch evangelische Theologie in Montpellier/Frankreich – mit all den Einschränkungen. Er schreibt uns:
„Am 14. März saß ich noch an der Kasse der Buchhandlung, wo ich einen Nebenjob habe. Am Feierabend wurden die Gerüchte bestätigt, dass die Läden geschlossen werden müssen. Meine Kollegen und ich fragten unseren Chef, wie es für uns weiter gehen sollte. Seine Antwort: „Genau wie ihr weiß ich noch gar nichts.“ – „Ich weiß nichts“, „Keine Ahnung“, „Es ist noch nicht ganz klar“ waren in den ersten Tagen der Krise die einzigen Antworten auf alle unsere Fragen. Nur Unsicherheit, wohin man schaute. Unsicherheit über Löhne für die Arbeiter_innen, Unsicherheit über den Fortgang des Studiums für die Studierenden, über die Gesundheit der Angehörigen und über die eigene Gesundheit.
Unsicherheit bestand auch für alle internationalen Studierenden der theologischen Fakultät, die sich entscheiden mussten, entweder in Montpellier zu bleiben oder in ihre Länder zurückzureisen. Keine und keiner ist geblieben. Es fiel uns schwer, uns von unseren neuen Freund_innen trennen zu müssen. Wenngleich es für sie schwieriger war, ihr Jahr oder ihr Semester in Frankreich abzubrechen. Die Fakultät ist nun schon viele Wochen geschlossen.
Die Studierenden verließen ihre Zimmer auf dem Campus. Es blieben, unter strengen Regeln, nur neun von uns auf dem Campus, von den etwa dreißig Menschen, die normalerweise hier wohnen.
Ab dem 17. März durften wir landesweit das Haus ohne eine Bescheinigung nicht mehr verlassen.
Quentin Milan-Laguerre |
In unserer leeren Fakultät mit ihrem Garten schien die Bedrohung weit entfernt und fast surreal, im Vergleich zu der, die man im Fernsehen oder Internet sehen konnte. Aber als eine Nachbarin, ein Freund, eine Mutter oder ein Kommilitone infiziert wurden, erschien uns alles plötzlich ganz real, und ab dem Moment hatten die großen Zahlen ein Gesicht.
Gesichter, wie auch Stimme, sind, was wir von der Kirche erleben konnten, durch die zahlreiche Livestream-Gottesdienste, Zoom-Andachten oder die Telefon-Seelsorge, die sich überall entwickelt haben, selbst in den kleinsten Gemeinden. Natürlich bleibt physische Begegnung unersetzbar, aber diese Krise hat uns dazu gebracht, neue Wege zu finden, um den Kontakt nicht zu verlieren, und Menschen auf anderem Wege zu erreichen.
In einer Gesellschaft, in der Menschen keinen Virus brauchen, um isoliert und einsam zu sein, möge diese Krise uns den Nächsten nicht als Gefahr, sondern als Kind Gottes wahrnehmen lassen. Ich denke, diese belastende Zeit hat der Kirche weltweit die Gelegenheit gegeben, das Wesentliche wahrzunehmen, vor den Ängsten und der Unsicherheit der Menschen, die Gegenwart Gottes zu bezeugen.
Seit dem 11. Mai dürfen wir wieder uns frei bewegen. Im Garten der Fakultät, anstatt der Ruhe und des Gesangs der Vögel der letzten Monate, hören wir jetzt wieder Autos. Das Leben geht weiter und es kommen neue Herausforderungen. Um sie im Vertrauen zu empfangen, lassen wir uns von diesem Wort Jesu ansprechen:
„Darum sorgt nicht für morgen, denn der morgige Tag wird für das Seine sorgen. Es ist genug, dass jeder Tag seine eigene Plage hat.“ Matt. 6, 34.“
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