Pfarrerin Agnes von Kirchbach |
Bewegend schildert Pfarrerin Agnes von Kirchbach von der Vereinigten Protestantischen Kirche in Frankreich die Situation in ihrem Land in diesen Coronazeiten – Communion bedeutet, dass wir gemeinsam eine große Aufgabe zu bestehen haben:
„Zu normalen Zeiten
teilt die Heilsarmee in der Pariser Innenstadt 450 Mahlzeiten aus, heute sind
es 2000. Und trotzdem bekommen nicht alle Menschen, die an der Verteilstelle
warten, ein Essenspaket. Die Auswirkungen der Epidemie auf die Überlebensmöglichkeiten ist dramatisch. Alleinerziehende Mütter,
Freiberufler, Studierende… sie alle haben keine Arbeit mehr und das sowieso
schmale Gehalt fällt weg. Am Ostersonntag hat
deshalb der Protestantische Kirchenbund seine Mitglieder dringend gebeten,
eine Sonderspende für die karitativen kirchlichen Hilfsorganisationen
durchzuführen. Und das natürlich ohne Gottesdienste.
Die Zahlen der
an Covid-19 Verstorbenen in Frankreich sind
hoch und steigen jeden Tag weiter an. Ein Drittel der 18.000 Verstorbenen sind BewohnerInnen von Altenheimen. Zahlen zu Erkrankten gibt es
nicht. Frankreich hat wenige Mittel zum Testen der Bevölkerung. Es sind deshalb
nur die Schwerkranken erfasst. Alle anderen müssen selbst sehen, wie sie mit
der Ansteckung umgehen. Jedenfalls sollen sie nicht zum Arzt gehen, sondern sich stattdessen
zuhause auskurieren. Die Ansteckungswelle innerhalb der Familien ist deshalb
sehr hoch. Die sich zuhause Pflegenden sind die einzigen, die Recht auf zwei
Packungen Paracematol haben, alle anderen dürfen in der Apotheke nur eine Schachtel kaufen.
Diese Situation
verlangt große Aufmerksamkeit in den Gemeinden. Jede und jeder wacht über
jemand anderen, meist per Telefon.Trotzdem ist der Eindruck großer Vereinsamung spürbar. Aber natürlich
auch Panik, Angst und Aggressivität. Deshalb haben die protestantischen Kirchen eine landesweite Seelsorgenummer eingerichtet. Alle Pfarrerinnen und Pfarrer
Frankreichs übernehmen eine gewisse Stundenzahl in der Woche, sodass immer
jemand erreichbar ist. In den
Krankenhäusern dürfen Seelsorger nicht
mehr arbeiten. Bestattungen müssen im Freien auf dem Friedhof mit maximal 20 Personen stattfinden und dürfen nicht länger als 15 Minuten dauern. In einem
Kirchgebäude dürfen sich zu einer Trauerfeier nur fünf Menschen einschließlich
des Pfarrers/der Pfarrerin zusammenfinden
Helfen heißt in
dem Fall oft, zuzuhören und auf die Möglichkeiten zu verweisen, die mit großer
Kreativität entstehen: Rundbriefe und Newsletter, Bibelstunden und
Konfirmandenunterricht über Skype oder ähnliche Vernetzungen;
Gottesdienste in Hülle und Fülle über Youtube; unsichtbare Gebetsketten.
Und dann verweisen
die evangelischen Kirchen in Frankreich gerne auf eine Wortbedeutung, die es im Deutschen nicht
genau so gibt. «Communion» bedeutet «Gemeinschaft»,
«tiefes aneinander Teilhaben» im Bereich der Familie, der
Freundschaften und der Kirche; das Wort bedeutet auch das Teilhaben am
Abendmahl. Aber was die meisten nicht wissen: das Wort stammt nicht von
der Wurzel «union = Einheit» ab, sondern von dem Wort «munus =
Aufgabe». Miteinander in «communion» sein bedeutet also sich
gemeinsam einer Aufgabe stellen, sie verantwortungsbewusst übernehmen, mit
anderen aktiv wirken.
Die evangelischen
Christen und Kirchen wollen sich nicht zurückziehen, bis alles vorbei ist. Sie
wollen sich um die Einzelnen kümmern, aber auch um die große
«Körperschaft» in der alle ihren Platz haben können von den
Müllarbeitern bis zu den Regierenden.“
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