Synodalsenior Daniel Zenatý (EKBB)
auf der Konferenz im Dezember

Mitte Dezember feierte die Evangelische Kirche der
Böhmischen Brüder (EKBB) ihr 100-jähriges Jubiläum. Nach dem Ende des ersten
Weltkriegs und der Gründung der Tschechoslowakischen Republik, für die
besonders der Name des ersten Präsidenten Tomáš Garrigue Masaryk steht, gründete
sich auch eine rein tschechische Kirche nach dem Zerfall der Habsburger
Monarchie.

Die Grundlagen der EKBB wurzeln in der Utraquistischen
Kirche (1431–1620) und in der Brüderunität (1457–1620). Die EKBB entstand in
ihrer heutigen Gestalt im Jahr 1918 durch den Zusammenschluss der bis dahin
selbständigen evangelischen Kirchen Augsburger und Helvetischen Bekenntnisses.
Deren Existenz wurde nach dem Ende der Gegenreformation, die von 1620 bis zum
Erlass des Toleranzpatens durch Kaiser Joself II. im Jahr 1781 dauerte,
erlaubt. Die strengen Beschränkungen mussten die Evangelischen freilich auch
danach beachten, bis zum Erlass des Protestantenpatentes im Jahr 1861. In der
Zeit ihrer Entstehung hatte die EKBB 250 000 Mitglieder, im Jahre 1938 waren es
dann schon 325 000 Mitglieder. Heute ist die Kirche in 14 Seniorate aufgeteilt
mit einer Gesamtzahl von 250 Gemeinden und ca. 80 000 Gemeindegliedern. Die
Kirche wird vom sechsköpfigen Synodalrat geleitet, der auf sechs Jahre gewählt
wird. Repräsentiert wird die Kirche vom Synodalsenior und vom Synodalkurator.

Im Newsletter der EKBB wird berichtet:

„Im Jahr 1918 war Österreich-Ungarn ein Pulverfass, das kurz
davor war, in die Luft zu gehen. Die politischen und staatsrechtlichen
Veränderungen führten in Böhmen zur Abtrennung vom Wiener Kirchenrecht. Die
tschechischen Protestanten spürten die Gunst der Stunde und begannen mit den
innerkirchlichen Verhandlungen. Die angestrebte Vereinigung der zwei größten
evangelischen Kirchen, der lutherischen (Augsburger Bekenntnis) und der
reformierten Kirche (helvetisches Bekenntnis), war Inhalt der Verhandlungen. In
der Euphorie über den Zerfall Österreich-Ungarns und zusammen mit den
Vorzeichen eines freien tschechischen Staates lösten sich alle theologischen
und politischen Bedenken, die einer Vereinigung vorher im Wege gestanden
hatten, auf. Schon am 16. Mai 1917 trafen sich die Vertreter der tschechischen
Protestanten. Nach den Referaten von Josef Souček und Josef Hromádka wurde
folgender Beschluss verfasst: „Die tschechischen Protestanten fühlen eine
lebendige Sehnsucht danach, eine selbstständige tschechische nationale
evangelische Kirche zu gründen, auf Spuren und Basis der böhmischen
Reformation, dass die gegenwärtigen, geschichtlich gewachsenen, tschechischen
Kirchen eine Einheit bilden.“ Großes Interesse an einem Anschluss an diese neue
Kirche äußerten auch einige Tausend Tschechisch sprechende Protestanten in
Schlesien, die sich von der Vereinigung mit der tschechischen Kirche eine
Befreiung vom nationalistischen Druck versprachen, dem sie sich als Minderheit
in den polnischen und deutschen Gemeinden ausgesetzt sahen. Mit der Gründung
der Tschechoslowakei am 28.10.1918 begann die Neuorganisation der evangelischen
Kirchen und ihr Zentralausschuss beschloss die Einberufung einer allgemeinen
Kirchenversammlung, welche feierlich die Vereinigung der beiden Kirchen auf der
Basis des Böhmischen und des Brüderischen Bekenntnisses erklärte. Die
konstituierende Generalversammlung wurde am Dienstag, den 17.12.1918 um neun
Uhr im Smetana-Saal im Prager Repräsentationshaus Obecní dům abgehalten. In den
Reden, die nacheinander von den Vorstehenden beider Konfessionen gehalten
wurden, kann man heute das Pathos der Stunde nachempfinden: gesprochen wurde
von „tiefer Dankbarkeit“ für die „Befreiung der Nation“, Tomáš Garrigue
Masaryk, der erste Präsident der Tschechoslowakei wurde als Instrument von
Gottes Gerechtigkeit bezeichnet. Außerdem wurden die protestantischen Ideale
gepriesen: Demokratie, Freiheit und Verantwortung. Die Abschlussresolution
lasen Ferdinand Hrejsa und Antonín Frinta: die evangelischen Kirchen augsburgischen
und helvetischen Bekenntnisses sind vereinigt. Schon einige Jahre vor der
Gründung der EKBB war unter den Theologiestudenten der Gedanke gewachsen, in
Prag ein Religions- und Kulturzentrum zu gründen, und dieses mit dem Namen von
Jan Hus zu verbinden. Der Gedanke sollte zum 500. Jahrestag der Verbrennung von
Jan Hus im Jahre 1915 umgesetzt werden. Ab dem Jahr 1902 schaute man sich nach
einem Haus zum Kauf um. Am günstigsten zeigte sich im Jahre 1912 schließlich
ein zweistöckiges Haus in der Jungmannova-Straße, im Zentrum Prags. Die Zeit
drängte, bis zu den Hus-Feierlichkeiten, bei der man das Hus-Haus eröffnen
wollte, blieben nur noch drei Jahre. Obwohl das Haus nun gekauft war, konnte es
die Kirche nicht sofort vollständig beziehen. Es wohnten noch Mieter dort und
für die verabredeten Zwecke gab es nicht genug Platz. Zum Haus aber gehörte ein
weiträumiger Innenhof. Auf dem sollte dann das wirkliche Hus-Haus gebaut
werden. Im Oktober 1918 wurde neben einem Saal für 200 Personen, eine
Bibliothek mit einem Lesesaal eingerichtet. Dort hatte die sogenannte
„Konstanzer Vereinigung“ ihren Sitz, die die Zeitschrift „Konstanzer Funken“
herausgab. Nach der Vereinigung der evangelischen Kirchen am Ende des Jahres
1918 zogen der Synodal-Ausschuss und seine Unterabteilungen ins Haus. Im Juni
1923 begann man mit dem Anbau. Gemäß den Plänen des Architekten Bohumir Kozák
baute man auf das ursprüngliche Haus drei weitere Stockwerke und
vereinheitlichte die Fassade zur Straße hin. Dort wurde auch eine HusStatue von
Ladislav Kofránek angebracht wurde, ein Bibelrelief und ein Lamm mit einem
Schriftzug. Das vordere Gebäude des Hus-Hauses wurde am 1. Mai 1924 feierlich
eröffnet. Über die Baustelle für das Hof-Gebäude wurde im Jahr 1934 entschieden.
Man wählte wieder den Architekten B. Kozák. Der Neubau im Hof wurde feierlich
am 14.3.1937 eröffnet.

Die Feierlichkeiten zum 100-jährigen Jubiläum fand in
Pardubice vom 27.-30. September 2018 statt. Diese Feierlichkeiten in Pardubice
waren die größte und öffentlichkeitswirksamste Veranstaltung zum 100-jährigen
Jubiläum der EKBB dar. Es nahmen evangelische Kirchenmitglieder aus der
gesamten Republik teil. Auch Interessierte aus der nichtkirchlichen
Öffentlichkeit und ökumenische Gäste aus Tschechien und dem Ausland waren
gekommen. Experten schätzen, dass etwa 2000-3000 Menschen teilgenommen haben.

Im Dezember wurden die Feierlichkeiten fortgesetzt u.a. mit
einer internationalen Konferenz im Senat des tschechischen Parlaments und eine
feierliche Versammlung der EKBB im Smetana-Saal des Prager
Repräsentationshauses, also an dem Ort, an dem die Kirche vor 100 Jahren
gegründet wurde.

Heute ist die EKBB die größte nicht-katholische Kirche in
der Tschechischen Republik. Berühmte Evangelische waren Präsident T. G.
Masaryk, Milada Horáková und Jan Palach.“

In einem Grußwort während der Feierlichkeiten im Dezember 2018 wies die Stellvertretende Kirchenpräsidentin der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN), Ulrike Scherf, auf die Bedeutung der Versöhnungsarbeit 100 Jahre nach dem Ersten Weltkrieg hin: https://www.ekhn.de/aktuell/detailmagazin/news/scherf-verantwortung-fuer-europa-gerecht-werden.html