Die Favela Agglomerado da Serra am Rande der Stadt Belo Horizonte.
Wie hier leben Millionen Brasilianer in Armut. |
Ein spannendes Jahresthema hat sich die Evangelische Kirche Lutherischen Bekenntnisses in Brasilien (EKLBB) gegeben: Kirche – Wirtschaft – Politik. Es ist in hohem Maße aktuell. Politisch und wirtschaftlich steckt Brasilien in einer tiefen Krise. Dieses große, wunderbare Land ringt um seine Zukunft. Das am 3. September 2018 abgebrannte Nationalmuseum in Rio de Janeiro ist für viele Menschen ein Symbol für die Situation Brasiliens.
Der Generalsekretär des GAW in Brasilien, Martin Volkmann, schreibt: „Was mit dem 200 Jahre alten Museum – das größte und wichtigste Brasiliens – geschehen ist, ist ein konkretes, groteskes Symbol dafür, was in unserem Land gerade passiert. Für Kultur, Erziehung, Gesundheit hat die führende Elite nicht viel oder gar nichts übrig. Das zeigt sich daran, dass kaum Mittel für den Erhalt und den Brandschutz im Museum zur Verfügung standen. Das Museum ist schlicht grob vernachlässigt worden. Gelder sind versickert. Die jetzige Regierung unter Michel Temer investierte weniger Mittel zur Erhaltung des Museums als das Parlament zur Reinigung seiner 83 Dienstwagen. Es scheint so, dass Brasilien unfähig ist, die eigene Geschichte zu bewahren. Unsere Schulen sind marode, unsere Krankenhäuser schließen, unsere Museen verbrennen. Derzeit würde der ehemalige Präsident Lula, der im Gefängnis sitzt, die anstehenden Präsidentschaftswahlen gewinnen. Lula ist ohne klare Beweise verurteilt worden ist. Das war eine klare Maßnahme, um ihn rechtzeitig von einer Wiederwahl auszuschließen. Und viele andere kommen gar nicht vor Gericht. Ein Präsidentschaftskandidat, der Chancen hat, gehört der extremen Rechten an. Er scheint vom Militär unterstützt zu werden. Er ist ein Frauenfeind, gegen Homosexuelle und unterdrückt die Armen. Er verspricht freie Bewaffnung, was anscheinend viele Jugendliche anzieht.“
Nach den vielen Korruptionsskandalen um die Fußballweltmeisterschaft, die Olympiade, nach den Skandalen um das halbstaatliche Mineralölunternehmen Petrobras gäbe es eigentlich genügend Themen für die Kirchen, sich zu positionieren – gerade im Blick auf das Jahresthema „Kirche – Wirtschaft – Politik“. „Aber anscheinend kommt die Themenstellung und die damit verbundene Herausforderung nicht bei den Gemeinden an,“ schreibt Volkmann. „Es wäre ein gutes und wichtiges Mittel momentan und in der konkreten Lage Bewusstseinsbildung zu ermöglichen. Aber leider gibt es in der Kirche Tendenzen, die sich gegen eine öffentliche Theologie und eine Positionierung der Kirche bei all den großen Herausforderungen stellen. Da sind wir in der EKLBB auch ein Spiegel der Gesellschaft.“ Das zeigt u.a. auch, dass der Vizepräsident der EKLBB in der eigenen Kirche dafür scharf kritisiert wurde, seinen Freund Lula im Gefängnis besucht zu haben.
Im Oktober findet die Synode der EKLBB statt. Hier wird ein neuer Kirchenpräsident gewählt. Es bleibt die Herausforderung, die Kirche zusammen zu halten und sie auszurichten als eine Kirche, die öffentlich sichtbar und hörbar bleibt.
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