Jiří Schneider von der Evangelischen Kirche der Böhmischen Brüder (EKBB) in Tschechien schreibt über die Situation Kirchenfinanzierung:
„Nach Jahrzehnten der finanziellen Abhängigkeit vom Staatshaushalt, die auch nach der Revolution im Jahre 1989 fortbestand, kommt es nun zu einer grundlegenden, wenn auch allmählichen Änderung der Finanzierung der Kirchen. Das Inkrafttreten des Gesetztes zur Restitution des Besitzes an Kirchen und religiöse Gemeinschaften im Jahre 2012, stellte für die Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften einen Anfang auf dem Weg ihrer Unabhängigkeit vom Staat dar. Der Staat wird die kirchliche Arbeit nur noch bis 2030 mitfinanzieren, wobei die Finanzierung bis dahin jedes Jahr um fünf Prozent sinken wird. Im vergangenen Jahr stellte das eine Summe von 83 Mill. Kronen (etwa 3 Mill. Euro) für die EKBB dar. Die staatliche Finanzierung war bis heute die Hauptquelle für die Finanzierung von Pfarrergehältern. Die Kirche wird also im Hinblick auf die jährliche Abnahme der finanziellen Zuwendung neue Finanzierungsmittel finden müssen.
Die allmähliche Lösung der Kirche von ihrer Finanzierung durch den Staat wird dadurch erleichtert, dass das oben genannte Gesetz auch einen finanziellen Ausgleich inkludiert, wonach die EKBB in 30 Jahresraten bis 2043 eine Summe von 2,26 Mrd. Kronen (nach heutigem Kurs 83 Mill. Euro) erhält. Die Synode der EKBB hat sich dazu entschieden, diese Mittel auf verschiedene Weisen zu investieren und zu nutzen, um die sinkenden finanziellen Zuwendungen des Staates zumindest z.T. kompensieren zu können. Die EKBB hat einen Teil dieser Summe in zwei verschiedene Investmentfonds, die von zwei ausgewählten Investmentgesellschaften verwaltet werden, und in Immobilien investiert, die mittels einer eigenen Kapitalgesellschaft verwaltet werden. Auf diese Weise wurden bereits über 200 Mill. der oben erwähnten Auszahlungssumme investiert. Ein anderer Teil der Mittel – fast 15 Mill. jährlich – werden auf Basis dieser Zuschüsse in diakonische Projekte und Entwicklungsprogramme der Diakonie der EKBB fließen. Im Januar 2016 bildete sich ein Finanzierungskomitee, um Regelungen für die erwarteten Zuschüsse zu treffen.
Wir sind dankbar für jegliche finanzielle Unterstützung unserer kirchlichen Arbeit, Kirchenrenovierungen und Bildungs- und Wohltätigkeitsprojekten, die von der Diakonie organisiert werden. Zugleich müssen wir feststellen, dass die Tatsache, dass unsere Kirche eine solche Geldsumme erhält, ihre Stellung in den Augen der Gesellschaft und der internationalen Partner ändert. Des Weiteren auferlegt die Verwaltung dieser Geldsumme und die Entscheidung, wie sie eingesetzt werden soll, der Kirchenleitung eine große Verantwortung. Neben der langfristigen Anlage der Summe, die zumindest einen Teil der Pfarrer- und Mitarbeitergehälter decken könnte, werden eigene Finanzierungsquellen zur Aufrechterhaltung der eigenen Arbeit und des Besitzes vonnöten sein.
Unsere Kirche ist aktuell mit einer Vielzahl von Herausforderungen hinsichtlich ihrer Zukunft als eine unabhängige und sich selbst finanzierende Institution konfrontiert: in erster Linie mit der, dass die Fragen nach dem Materiellen nicht ihre prinzipielle Mission der Verkündigung der frohen Botschaft in den Schatten stellen. Die EKBB wird sich zudem mit der Frage zu beschäftigen haben, wie viele Gebäude sie unterhalten, wie die Arbeit zwischen Pfarrern und Laien aufgeteilt werden und wie sie für eine angemessene Vergütung der Arbeit ihrer Mitarbeiter sorgen kann. Weder die tschechische Gesellschaft, noch ihre evangelische Kirche, die eine Minderheit in ihrem Land darstellt, kann sich zu den Bedürftigsten in Europa zählen, von der weltweiten Perspektive ganz zu schweigen – somit ist es auch von Relevanz die Frage aufzuwerfen, wie diese Tatsache in der Beziehung mit unseren ausländischen Geldgebern reflektiert werden sollte. Ein Viertel Jahrhundert nach der Erlangung der Freiheit vom kommunistischen Regime, ringen wir nicht nur um die Sicherstellung einer unabhängigen Finanzierung, sondern auch um die Fähigkeit, denen, die der Zuwendung weitaus mehr bedürfen als wir, mithilfe der Diakonie der EKBB und unseren ausländischen Partnerinstitutionen, zu helfen.“
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