Bewegt hat mich Ende Juli diesen Jahres eine Szene, die ich auf der Bundesstraße im Burgenland in Österreich gesehen habe: Am Rand der Straße holten die Polizisten eine ganze Gruppe von Flüchtlingen aus den die Region prägenden Weinbergen. Täglich diese Bilder im Fernsehen zu sehen und sie dann selbst zu erleben ist ein Unterschied. Diese Bilder haben mich im Urlaub tagelang begleitet. In Budapest in Ungarn sah ich dann auf dem Ostbahnhof freiwillige Helfer, die Lebensmittel an die dort gestrandeten Flüchtlinge verteilten. Es waren viele. Abends sahen wir in Parks zahlreiche Flüchtlinge lagern.
Als am 27. August 71 tote Flüchtlinge in einem abgestellten Lkw auf der burgenländischen A4 bei Parndorf entdeckt wurden, kamen diese Bilder wieder hoch. Da sind wir doch auch wie so viele Tausende vorbeigefahren … „Mitten unter uns hat der grausame Tod diese Menschen getroffen“, sagt die lutherische Pfarrerin Ingrid Tschank aus Gols, einem weitgehend evangelischen Weinort in unmittelbarer Nähe des Unglücksortes.
Pfarrerin Tschank hat einen ökumenischen Gedenkgottesdienst in der katholischen Kirche in Neusiedl am See am 4. September mitorganisiert. „Wir sind es den Toten von Parndorf schuldig, dass sie in würdiger Weise und in ihrer religiösen Tradition eine letzte Ruhestätte finden“, sagt sie. 71 Kerzen brannten im Kirchenraum. Eine 72. für all die namenlosen Toten, die auf der Flucht starben. „Am Schluß des Gottesdienstes sangen wir in der überfüllten Kirche ,Von guten Mächten wunderbar geborgen‘“, erzählt Tschank. Viele haben geweint. „Aber alle fühlen wir uns im Glauben in dieser Hoffnung bestärkt!“
Die Flüchtlingstragödie auf der Autobahn hat die Menschen aufgerüttelt. Wie viel Leid tragen diese Menschen mit auf ihrem Weg? Was an Unrecht und Gewalt haben sie erlebt? Wie viele Tote haben sie selbst gesehen auf dem Weg – und zurücklassen müssen?Die evangelisch-lutherische Gemeinde in Gols – nahe der ungarischen Grenze – fühlt sich herausgefordert. „Vor Kurzem war auf einmal frühmorgens eine Flüchtlingsgruppe mitten in Gols auf dem Kirchenvorplatz“, sagt Ingrid Tschank. Schlepper hatten sie einfach dort abgesetzt. „Es sind in den letzten Wochen immer mehr geworden. Wir mussten handeln!“ Die Gemeinde organisierte eine große Sammelaktion. Kleider und Lebensmittel werden im Gemeindehaus gesammelt und unter fachmännischer Leitung sortiert, bis sie dann vom Roten Kreuz in die Erstaufnahmelager gebracht werden. „Sie brauchen unsere Hilfe, weil sie selbst nicht mehr hinterherkommen. Das überfordert alle! Also müssen auch alle mit anfassen!“ sagt Pfarrerin Tschank.
Angetan ist sie von der großen Hilfsbereitschaft ihrer Gemeinde. „Hier öffnen sich wirklich die Herzen der Menschen!“ Jetzt hat die Gemeinde in einem Zwischenruf sich bei den Menschen in und um Gols für diese große Solidarität bedankt: „Wir sagen jetzt erst einmal ganz, ganz groß: DANKE, DANKE, DANKE!!!! Eure Spendenbereitschaft hat uns vollkommen überwältigt, und wir sind sehr froh, so nette und hilfsbereite Menschen um uns zu haben. Alles ist sortiert, und bereit, vom Roten Kreuz und den Helfern abgeholt und nach Nickelsdorf und Traiskirchen zu den Flüchtlingen gebracht zu werden. Wir werden uns in den nächsten Tagen wieder melden und weitere Sammeltermine bekannt geben, zu denen wir euch wieder die Möglichkeiten geben, Spenden ins Gemeindezentrum zu bringen. Vorerst sagen wir aber eben ganz groß: DANKE, DANKE, DANKE!!!“
Die Hilfsbereitschaft ist enorm! Das ist auch in Deutschland zu erleben – und es ist bewegend! Die vielen Flüchtlinge, die zu uns kommen, werden ganz Europa verändern. Das muss nicht bedrohlich sein. Das ist vielmehr eine Chance. Mit Menschlichkeit und Nächstenliebe können wir diese Chance nutzen. Es ist die von Gott an uns gestellte Aufgabe! Dabei sind wir nicht allein, sondern „von guten Mächten wunderbar geborgen“! – Pfr. Enno Haaks
Kommentare