Am 31.3. jährt sich der Tag des Militärputsches in Brasilien zum 50. Mal. Das Thema beherrscht die Medien. Der Nationale Kirchenrat in Brasilien (CONIC) hat in der vergangenen Woche ein Wort zu diesem Thema in die brasilianische Gesellschaft verabschiedet. Ein nationaler Gedenktag wie der 24.3. in Argentinien ist der 31.3. hier in Brasilien nicht.
Für die Evangelische Kirche Lutherischen Bekenntnisses in Brasilien (EKLBB) hatte die Zeit der Militärdiktatur einschneidende Folgen. 1970 wollte der Lutherische Weltbund seine Vollversammlung zum Thema „Gesandt in die Welt“ in Porto Alegre abhalten, eine angesichts der Menschrechtsverletzungen im Land auch in Deutschland umstrittene Entscheidung. Sechs Wochen vor Beginn der Versammlung wurde sie nach Evian verlegt, für die gastgebende Evangelische Kirche Lutherischen Bekenntnisses in Brasilien (EKLBB) ein schwerer Schock, der aber langfristig zu einem größeren politischen Bewusstsein führte. –
Dr. Harti Schreiner (Jg. 59), heute an der Universität in Porto Alegre lehrende Juristin, war damals ein Kind. Dennoch merkte sie, dass sie viele Fragen in der Schule nicht stellen durfte. Heimlich las sie im Keller Bücher, die ihre Großmutter dort versteckt hatte und merkte, dass manche Dinge, die in der Schule gelehrt wurden, so nicht stimmten. „Wir wohnten ´auf der Kolonie`, also auf dem Lande“, ergänzt ihre Mutter Hildegart, „da bekamen wir auch nicht so viel mit. Wir haben da nie erlebt, dass Menschen verschwanden“. „Die Militärs haben versucht, durch Großprojekte wie die Transamazonika und der Bau des Staudamms von Itaipu abzulenken“, ergänzt Martin, der zu dieser Zeit deutscher Pfarrer der EKLBB war, „mindestens in meiner Zeit wurde es auch auf Pfarrkonferenzen nicht thematisiert. Wahrscheinlich hatten die meisten zu viel Angst, und in einer so weit verstreuten Diasporakirche waren wir schon mit den Äußerlichkeiten, den langen und beschwerlichen Fahrten von einem Ort zum anderen beschäftigt.“ Für eine deutschstämmige Minderheitenkirche wie die EKLBB, die auch im II. Weltkrieg durch das Verbot der deutschen Sprache in eine Krise geraten war, fehlte weitgehend die Erfahrung, sich im Land politisch einzumischen. Das hat sich bis heute sehr geändert.
„Ich will dir zeigen, wie man damals die Universität von Passo Fundo, an der ich auch studiert habe, gebaut hat“, meint Harti und fährt mit uns auf den weit von der Stadt entfernt liegenden Campus. Die Studenten sollten hier ganz isoliert sein, nur keine revolutionären Aktionen starten.“ Heute hat sich allerdings die Stadt schon bis nahe an den Campus ausgedehnt, wo ein fröhliches Leben herrscht. Der „Golpe“ scheint vergessen – aber hoffentlich doch nicht zu sehr! – Vera Gast-Kellert
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