Ana Veghazi, ungarischstämmige Jüdin, habe ich in Santiago de Chile kennengelernt. Sie war Überlebende eines Todesmarsches in Ungarn. Eine beeindruckende Frau, die Fürchterliches durchgemacht hat und nur dank eines Zufalls überlebte.
Nach dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht in Ungarn im März 1944 begann die systematische Vernichtung der Juden in Ungarn. 565.000 Menschen kamen um. Nach dem Stopp der Deportationen nach Auschwitz im Juli 1944 kam es unter der nationalsozialistischen ungarischen Regierung zu systematischen Pogromen an der jüdischen Bevölkerung und zu Todesmärschen nach Österreich. Von den 85.000 Juden, die auf diese Todesmärsche geschickt wurden, kamen mindestens 25.000 auf dem Weg durch Erschießung, Hunger, Erschöpfung oder Krankheit ums Leben. Ana gehörte zu den Überlebenden.
Im Jahre 2007 fand zum ersten Mal ein sog. „Marsch des Lebens“ in Erinnerung an die Ereignisse damals statt. Ende April diesen Jahres erinnerte man sich zum 70. Mal an das Geschehene. Entlang der Route der historischen Todesmärsche vom November 1944 ging der Weg, der vier Tage dauerte und in Budapest endete. Mit Gottesdiensten und Gedenkveranstaltungen setzen Christen aus unterschiedlichen Denominationen mit Holocaustüberlebenden und Menschen aus jüdischen Gemeinden ein Zeichen für Versöhnung.
Bischof Fabiny von der lutherischen Kirche Ungarns schrieb eine unterstützende Grußbotschaft: „Als Befürworter der jüdisch–christlichen Versöhnung unterstütze ich dieses Projekt mit gutem Herzen. Ich tue das als einer der Bischöfe der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Ungarn, aber auch als Vorsitzender der Christlich–Jüdischen Gesellschaft in Ungarn…. Als Evangelisch-Lutherischen Kirche in Ungarn stehen wir ein gegen Diskriminierung und Hass. Unsere Kirche war immer schon eine einladende und bunte Minderheitskirche. Zu unseren Kirchengemeinden gehören auch Menschen slowakischer und deutscher Nationalität. Das hilft uns auch in der Gegenwart Toleranz zu üben und Minderheiten zu schätzen. Gegen den Antisemitismus und gegen jede Art von Diskriminierung zu kämpfen ist für uns nichts Neues. Im 20. Jahrhundert haben wir zwei totalitäre Diktaturen erlebt, die Braune vor und während des 2. Weltkriegs und die Rote in der 2. Hälfte des Jahrhunderts. Die Kirche hat in einer Diktatur die Aufgabe, sich für die Kleinen und Schwachen einzusetzen… Viele Arten von Extremismus sind in Ungarn derzeitig gegenwärtig. Dagegen erheben wir als lutherische Kirche unsere Stimme.“ Und er betont am Ende, dass der „Marsch des Lebens“ ein Zeichen der Versöhnung sein möge und helfen möge, nicht zu vergessen.
Für Ana Veghazi war genau das im christlich-jüdischen Dialog in Santiago wichtig, wenn sie von ihren Erlebnissen auf dem Todesmarsch berichtete. Sie hätte sich gefreut zu hören, dass auf der Route, die sie gegangen ist, jetzt ein Marsch des Lebens entlangführt. Ana starb im Jahr 2012. Ana werde ich nicht vergessen… – Enno Haaks
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