Die Frage der Menschenrechtsarbeit ist für die Evangelische Kirche am La Plata (IERP)weiterhin zentral, vor allem auch in der Aufarbeitung der Zeit der Militärdiktatur 1976 – 1983. Pastor Arturo Blatezky arbeitet für die Lutherische Kirche in der ökumenischen Menschenrechtsbewegung „Movimiento ecumenico por los derechos humanos“ (MEDH). Mit ihm besuchen wir in Quilmes, einer etwa 600.000 Einwohner zählenden Stadt südlich von Buenos Aires, eine Ausstellung die morgen am 21.3. in den Räumen der Universität von Quilmes anlässlich des Jahrestags des Militärcoups am 24.3.1976 eröffnet wird. Der 24.3. ist öffentlicher Gedenk- und Feiertag in Argentinien für die 30.000 Verschwundenen, deren Schicksal zum Teil auch heute nicht aufgeklärt ist. Das zeigt, welche Bedeutung dieses Thema in der Gesellschaft hat. – Eindrucksvoll sind die Fotografien, die Gustavo Germano zu einer Ausstellung zusammengestellt hat, um auf die während der Diktatur verschwundenen Menschen aufmerksam zu machen. Da werden Jugendbilder mit ihnen und ihren Angehörigen gezeigt, und dann Bilder an der gleichen Stelle mit den gleichen Angehörigen. Aber die Stelle, wo der verschwundene Mensch war, bleibt leer. So auch auf der Fotografie, die Gustavo Germano mit seinen drei Brüdern zeigt. Sie wurde 1969 aufgenommen, als die Familie nach Uruguay reisen wollte und Passfotos brauchte. Da ließ der Vater ein Kollektivfoto von seinen Jungen machen, eines der wenigen, die die Familie heute von allen hat. Der älteste, Eduardo, verschwand sieben Jahre später im Alter von 18 Jahren und ist einer der vielen jungen Menschen, die dieses Schicksal teilten. Sie wurden gefoltert und starben oft während der Folter. – An einem für uns unscheinbar wirkenden Haus halten wir an. „Hier war ein Folterzentrum“, erklärt Arturo Blatezky. „Und nebenan im angrenzenden Teil des Hauses wurden Kinder geboren. Meist wurden sie unter anderem Namen zur Adoption gegeben, ein Thema, das bis heute noch viele Fragen offen lässt.“ Dann gehen wir zum Krankenhaus schräg gegenüber und hören die Geschichte von Silvia Mabelle Izabella Valenzi. Auch sie wurde hochschwanger gefoltert. Als sich dann die Entbindung als schwieriger erwies, musste sie doch zum Krankenhaus gebracht werden. Der Chefarzt widersetzte sich dem Willen des Folterarztes und bestand darauf, sie selbst im Kreißsaal mit der Hebamme und der Krankenschwester vorzunehmen. Silvia Mabelle konnte den Schwestern noch den Namen ihres kleinen Mädchens bestimmen und die Adresse ihrer Eltern sagen, bevor sie für immer verschwand. Als die Schwester und Hebamme ihre Familie informierten und nach der Registrierung des neugeborenen Mädchens im Krankenhaus suchten, stellte sich heraus, dass das Kind auch verschwunden und nicht eingetragen war. Dann verschwanden auch die Hebamme und die Schwester. Silvia Mabelles Geschichte finden wir an der Krankenhauswand. „Auch junge Menschen aus der IERP waren betroffen und sind verschwunden, aber darüber wurde in der Kirche lange geschwiegen“, bemerkt Arturo Blatezky, der seine Arbeit auch darin sieht, dieses Leiden der Menschen auch geistlich mit dem Leiden Jesu zu verbinden. Noch immer stehen wichtige Prozesse aus und Arturo vergleicht die Geschichte mit dem Leiden Jesu, der auch ohne ordentlichen Prozess hingerichtet wurde. So ist die Beteiligung der IERP am MEDH auch eine zutiefst geistliche Frage. – Vera Gast-Kellert, Leiterin Frauenarbeit im GAW
Kommentare