Heute Morgen um 10 Uhr ist Gottesdienst in der der Deutschen Evangelischen Gemeinde in Montevideo, um 10 Uhr in Deutsch, danach in Spanisch. Pfarrer Armin Ihle, seit 19 Jahren Pfarrer dieser Gemeinde, ist seit 1977 in der Evangelischen Kirche am La Plata (IERP) tätig, vorher in Argentinien und Paraguay. In beiden Ländern hat er sich während der Diktatur engagiert für verschwundene und verfolgte Menschen eingesetzt und geriet deshalb selber auch in die Mühlen der Justiz. Heute ist er Ehrenbürger von Paraguay.
Pfarrer Martin Kellert ist Gastprediger im deutschsprachigen Gottesdienst und hat die erste Versuchung Jesu, Matthäus 4,1-4, als Thema der Predigt gewählt. „Der Mensch ist immer in der Versuchung, sich zu nehmen, was er kann, ohne nach dem Nächsten zu fragen. Auf unserer Reise durch Lateinamerika wird uns das wieder erschreckend deutlich“.
„Heute ist Okuli“, geht es mir durch den Kopf, „in unserer Evangelischen Kirche im Rheinland der Sonntag mit der Sammlung für das Gustav-Adolf-Werk (GAW)“. Ich habe Gelegenheit, nach der Predigt die Arbeit des GAW, von dem auch diese Gemeinde in ihrer über 100-jährigen Geschichte viel Unterstützung bekommen hat, vorzustellen. Armin Ihle unterstreicht die Bedeutung in ähnlicher Weise, wie es andere vorher getan haben. „Beim GAW bekommen wir eine Gemeinde bezogene Hilfe, die wir sie von keinem anderen Hilfswerk erhalten“.
Als Armin Ihle am Ende des Gottesdienstes zum nächsten thematischen Gesprächsabend „Die Frau in der Religion“ einlädt, entsteht ein Gespräch. „Am Abend wage ich mich nicht aus dem Haus“, antwortet Dagmar auf die Einladung, „da läuft man Gefahr, niedergeschlagen zu werden oder das Auto wird gestohlen. Das Risiko kann ich nicht eingehen“. Allerdings verständlich, aber auch ein ernüchternder Einblick in die Realität der Großstadt Montevideo!
Beim Kaffeetrinken zwischen dem deutschsprachigen und spanischsprachigen Gottesdienst sprechen mich zwei Damen an, Susanne Schreyer und Waltraud Teske de Balaguer. Beide sind im „Hogar Amenecer“, einem Kinderheim der Evangelischen Kirche am La Plata (IERP) in Montevideo tätig. Ich erinnere mich, dass wir es von der Frauenarbeit im GAW früher unterstützt haben und ich es selbst bei meinem Besuch vor fünf Jahren kennengelernt habe. „Wir sind jetzt stärker missionarisch“, erzählen die beiden, „und legen noch mehr Wert darauf, dass die Kinder mit dem christlichen Glauben vertraut werden und ihn im Alltag leben. Dazu haben wir jetzt speziell einen jungen Sozialarbeiter, Nikolas, engagiert. Seine Frau ist Theologiestudentin an der Theologischen Hochschule in Buenos Aires. Wir sind dabei, da jetzt ein neues Projekt zu entwickeln. Bis vorher Kurzem lebten 41 Kinder bei uns, meist Kinder aus sozial auffälligen Familien, aber 10 wurden gerade entlassen. Es wird jetzt stärker von den öffentlichen Behörden darauf bestanden, dass sie in ihre Ursprungsfamilien zurückkehren. Das ist aber gar nicht immer gut und sinnvoll.“ Auch in anderen Ländern, wie etwa im Kaliningrader Gebiet, scheint diese Tendenz zu bestehen, wie ich mich erinnere und berichte. „Wir sind dankbar“, erzählen die beiden, „dass unsere Kinder, wenn sie entlassen sind, so viel Stärke mitbekommen haben, dass sie nicht rückfällig werden“.
„Hogar amanecer“ – „Ort des Sonnenaufgangs“, ein Beispiel, der Versuchung zu widerstehen und beispielhaft in die Tat umzusetzen, dass der Mensch nicht vom Brot allein lebt. – Vera Gast-Kellert -Vorsitzende der Frauenarbeit im Gustav-Adolf-Werk
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