Demonstartion in La Paz/Bolivien |
„Wir fahren lieber nicht den direkten Weg in die Stadt,“ sagt Kirchenpräsident Emilio Aslla Flores von der Iglesia Evangélica Luterana de Bolivia (IELB), als er mich vom Flughafen in El Alto abholt, um mit mir nach La Paz reinzufahren. „Heute streiken die Ärzte,“ berichtet er. „Sie sollen wie alle acht Stunden am Tag arbeiten. Bisher haben sie halbtags gearbeitet und konnten dann noch woanders was dazuverdienen. Gegen das neue Gesetz wehren sie sich und sperren die Strassen ab.“ Das war nur ein Streik. In einen anderen sind wir dann doch hineingeraten…
Das zeigt, dass die politische Situation in Bolivien nicht einfach ist. Evo Morales wurde 2005 zum ersten indigenen Präsidenten Lateinamerikas mit breiter Mehrheit gewählt. Viele versprachen sich von ihm den Wandel, den Bolivien dringend braucht. „Nach Jahrhunderte langer Ausbeutung des rohstoffreichen Landes, nach mehreren Diktaturen und dem neoliberalen Wandel, der für die wirtschaftliche Situation Boliviens verheerende Auswirkungen gehabt hatte, glaubte die Mehrheit der Bolivianer und Bolivianerinnen daran, dass mit Evo Morales nun endlich ein Aufschwung und eine Kehrtwendung in Richtung soziale Gerechtigkeit und Linderung der Armut eintreffen würde.“ (Eva Heim) Tatendurstig ging der Präsident ans Werk, versuchte durch Verstaatlichung und Nationalisierung der Rohstoffe einen gerechten Ausgleich zu schaffen und die verarmte Bevölkerung Anteil geben zu lassen. Zudem setzte er tatkräftig eine neue Verfassung um, die indigene Prinzipien des „Buen Vivir“ berücksichtigt.
Es ist trotz allem nicht leicht, eine Gesellschaft, die lange anders geprägt war, ohne Konflikte umzugestalten. Damit rechnete auch der Vizepräsident von Evo Morales, Álvaro García Linera . Zudem spürt man, dass in der zweiten Amtsperiode durch das alltägliche Regierungsgeschäft der Schwung der ersten Jahre verschwunden ist. In der Demonstration heute gab es Morales kritische Plakate. Man spürt die Ungeduld und dass es Zeit braucht, Veränderungen anzugehen.
Zudem gibt es reichlich Probleme: die Korruption ist schwierig zu bekämpfen, die Justiz- und Bodenreform stockt, die Kokainproduktion ist gestiegen, die Preise für Grundnahrungsmittel sind erheblich gestiegen. Dazu kommen andere Themen.
Trotz allem ist viel in Bolivien geschehen. Die Hoffnung, dass der Wandel in der Gesellschaft friedlich vollzogen wird ist da. Gewalt gab es zur Genüge in der Vergangenheit. „Die große Herausforderung besteht in der Versöhnung der verschiedenen Strömungen der bolivianischen Gesellschaft und der Überwindung der tiefen Spaltung der Gesellschaft entlang der Grenzen von geographischen, Klassen- und Rassengrenzen. Schließlich wird sich die Regierung vor allem daran messen lassen müssen, ob es ihr gelingt, die wirtschaftliche Entwicklung in dem bitterarmen Land in den Griff zu bekommen und die Lage der Bevölkerung auf lange Sicht zu verbessern.“ (KAS-Bericht)
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